Donnerstag, 14. November 2013

einer von zweien


Vor einigen Jahren habe ich beim Chatten meinen Freund Ben kennengelernt. Er hatte ein kleines Geschäft, nur etwa 15 km von hier, wo wir uns öfter trafen um zu quatschen - „auf einen Kaffee“, wie er immer so schön sagte. Da er seinen Laden immer erst nachmittags für die Kundschaft öffnete, konnten wir die Vormittage ungestört verbringen, zusammen frühstücken, spazierengehen, unsere Männer- bzw. Frauenprobleme durchleuchten und hemmungslos herumblödeln, während eine Kanne Kaffee nach der anderen durch die Maschine röchelte. Mit Ben gab es immer was zu lachen, er hatte eine nie versiegende Quelle von Geschichten auf Lager, die er stets mit vollem Körpereinsatz zum besten gab. Da wir nicht nur unseren Hang zu komplizierten Beziehungen sondern auch unseren Humor teilten, verflogen diese Stunden stets rasend schnell, aber ich ging jedes Mal mit dem Gefühl nach Hause, meine rar bemessene kostbare freie Zeit ausgezeichnet investiert zu haben.

Irgendwann kam, was absehbar gewesen war, und Ben verliebte sich über beide Ohren – in Lena. Lena wohnte ein gutes Stück entfernt, sodass er sie nur an den Wochenenden sehen konnte. Da er aber inzwischen zwei Nebenjobs angenommen hatte, die er an den Vormittagen ausübte, und ich dafür an den Nachmittagen von meinen Kindern in Beschlag genommen wurde, hatten wir immer seltener Gelegenheit, uns zu treffen. Einmal lud er mich abends zu sich nach Hause ein und kochte für uns. Dieser Abend ist mir in besonders schöner Erinnerung – es sollte unser letzter gemeinsamer Abend sein.

Ich habe noch versucht, den Kontakt per Mail aufrecht zu erhalten, aber Ben hat sich nicht mehr wieder bei mir gemeldet. Ich hatte die Befürchtung, seine Freundin könne eventuell auf mich eifersüchtig sein, und ich wollte auf keinen Fall seine neue Beziehung gefährden, also habe ich mich zurückgezogen, auch wenn es mir schwer gefallen ist. Ich war wohl auch ein wenig gekränkt, weil ich einfach so kommentarlos entsorgt worden war – ausgedient und abgelegt. Aber ich habe Ben sein Glück viel zu sehr gegönnt, um ernsthaft böse zu sein, und ich habe lange Zeit einfach geglaubt, er würde sich schon wieder bei mir melden, früher oder später. Er hat es nicht getan. Nie wieder. Denn Ben ist nur wenige Wochen nach unserem letzten Treffen gestorben. Ganz plötzlich und überraschend mit nur 39 Jahren.

Da ich aus seinem Freundes- und Familienkreis niemanden kannte, habe ich davon rein zufällig erfahren, und erst sehr viel später. Ich war zutiefst geschockt, es hat mir, wie man so schön sagt, den Boden unter den Füßen weggerissen. Und ich habe mir schwere Vorwürfe gemacht, weil ich Ben einfach so aufgegeben hatte, weil ich unserer Freundschaft nicht genug zugetraut hatte, weil ich mir hatte vorstellen können, dass er mich einfach so fallenlässt.

Dann hatte ich eines Nachts einen Traum. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die an Übersinnliches glauben, an Zeichen aus dem Jenseits oder an ein Leben nach dem Tod. Aber dieser Traum war sehr real und er hat mir zumindest Trost gegeben. In meinem Traum lag ich im Bett und schlief, als am Fußende des Bettes plötzlich Ben auftauchte und an meiner Decke zog. Ich konnte die Decke erwischen und zog sie wieder zu mir hoch, aber er zupfte und zerrte erneut daran. Das ging ein paar Mal hin und her, bis ich in Gelächter ausbrach. Ich wachte auf von meinem eigenen Lachen, und ich dachte: Er will nicht, dass du traurig bist.

Und als ich mir selbst verziehen hatte, entstand ein Platz für meine Trauer. Plötzlich tauchten vor meinem inneren Auge all die schönen Bilder und Erinnerungen wieder auf, die Ben zu dem machten, was er für mich war: ein großartiger Freund.

'Einer von zweien'... musste viel zu früh gehen.

Ich wüsste gerne, woran du dich erinnerst.

Danke für deine wunderbare Freundschaft.
 

9 Kommentare:

  1. Da kann ich der Sturmtäzerin nur zustimmen, liebe Tweety (ich freu mich übrigens bannich, daß Du diesen Namen "angenommen" hast). Ob es tatsächlich Dein Freund war, oder ob Dein Unterbewusstsein auf diese Art mit Dir kommuniziert hat ist dabei nicht so wichtig, wichtig ist nur, daß Du Dir Raum geschaffen hast für schöne Erinnerungen und die Möglichkeit, Dir selber zu verzeihen, was nicht Dein Fehler war.
    Liebe Grüße von Felina, die die Schriftart Deines Blogs zwar sehr schön, aber leider auch (zumindest auf dem IPad) schwer lesbar findet ;-(

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    1. Nanu? Nach Veröffentlichung meines Kommis hat sich die Schrift wieder verändert... Ich glaub, ich hab auch Miniaturagenten in meinem Pad... Ständig dreht sich das Display, sobald ich eine App öffne, oder die Schrift verändert sich einfach mal so...
      Liebe Grüße von Felina, die schon langsam Paranoia kriegt... Hat das womöglich mit "dem dunklen Mann" zu tun?

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    2. solange kein Rauch aus dem Text kommt....
      meinst du die Schriftart oder die Farbe?

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  2. nö, hab mich auch schon gewundert. hat der keinen blog oder bin ich wieder zu blöd den aufzurufen? :-(

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  3. Ich kann euch nicht leiden sehen:

    http://rickyelvikingodark.blogspot.com

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  4. toll geschrieben meine liebe

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  5. Ein sehr anrührender Text.Ich habe auch mehrere Freundschaften, in denen es so ähnlich wie bei dir und Ben passieren könnte, dass der oder die andere höchstens aus der Zeitung erführe, wenn es zu einem Todesfall käme, weil unsere Partner die Partner der jeweils anderen nicht kennen. Oder nur den Vornamen. Keine schöne Vorstellung.

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