Freitag, 27. März 2015

call me tini-tussi

Wie laut Kinder sein können, merkt man ja am ehesten, wenn sie es mal NICHT sind. Erst vor wenigen Wochen habe ich zum allerersten Mal den Gaszähler im Kellerraum unter unserem Wohnzimmer rattern hören. In den letzten zwölf Jahren war es offenbar niemals auch nur annähernd so leise gewesen, denn dieses Geräusch hatte mich zutiefst verstört, bis ich ihm wortwörtlich auf den Grund gegangen war.
Vor einigen Tagen - ich hatte es mir gerade mit einem Buch auf dem Sofa gemütlich gemacht, die Kinder waren irgendwo außerhalb des Gebäudes verteilt - drangen allmählich Geräusche an mein Ohr, die entfernt an ein leise dudelndes Radio erinnerten. Nanu, dachte ich? Sind da etwa Stimmen in meinem Kopf? Lauter als sonst? Ich sah mich verstohlen um - nicht dass das noch jemand mitbekam... Aber ich war allein. Ein Kontrollgang durch die Kinderzimmer ergab: Keine vergessenen Wecker. Desweiteren weder ein verlassener CD-Player noch ein verwaistes Küchenradio. Wobei wir der Sache in der Küche schon näher kamen. Die Miss Marple in mir blähte ihre Nüstern und stellte die Atmung weitestgehend ein, um das Geräusch genauer orten zu können. Ungläubig starrte ich auf den Herd. Sprach der nun neuerdings zu mir? Und wenn ja, was wollte er mir sagen? "Gib dir mal mehr Mühe, deine Zubereitungen sind eine Beleidigung meiner Existenz!" ??
Aber nein, das Geräusch kam gar nicht vom Kochfeld, sondern eine Etage darüber - aus der Dunstabzugshaube. Konnte das wirklich sein? In meiner Erinnerung tauchten Geistergeschichten aus Zahnarztpraxen auf, in denen "es" durch ein Abflussrohr im Waschbecken zur Menschheit sprach. Sollte ich das nächste Opfer sein? Empfingen wir über unsere Satellitenschüssel die ersten brauchbaren Signale aus dem All? Würden in der nächsten halben Stunde grüne Wesen auf unserem Dach landen und unsere Mon-Cherie-Vorräte vertilgen?
Halb auf dem Herd kniend, das Ohr so weit wie möglich unter den Abzug gepresst, versuchte ich angestrengt, ein paar Wortfetzen aufzuschnappen, auf die ich mir einen Reim hätte machen können. Aber bis auf die Feststellung, dass dort eindeutig eine Stimme zu mir in die Küche durchdrang, konnten mir die vernommenen Laute keine Erklärung liefern.
So lief ich schließlich vor die Tür, um herauszufinden, ob ich von draußen die Herkunft der geheimen Botschaft näher orten könne. Bereits an der Haustür fiel mir auf, dass man besagte Stimme von hier viel deutlicher und lauter vernehmen konnte. Ein Blick auf die Straße zeigte mir dann auch, woran das lag: Dort stand das Auto meines Mannes, er saß noch hinter dem Steuer, hatte die Freisprecheinrichtung seines Handys aktiviert und - telefonierte mit seinem Kumpel, dessen Stimme laut und deutlich die ganze Straße runter zu hören war.
Im Grunde bin ich froh, dass wir an diesem Abend dann doch keine unerwarteten Gäste hatten - ich wollte ja noch mein Buch zu Ende lesen.

10 Kommentare:

  1. Vor langer Zeit hat ein nicht allzu dummer Mann uns Jugendliche mal aufschreiben lassen, was in unserem Leben wichtig ist. Stille gehörte nicht dazu. Er machte uns auf diesen Umstand aufmerksam und weckte dazu ein gewisses Bewusstsein. Heute kann ich nicht mehr nachvollziehen, wie Menschen Stille nicht ertragen können und sich immer eine Geräuschkulisse aufbauen müssen.

    Aber einen Gaszähler aus dem Keller zu hören? Respekt! Oder ist das Ding so laut?

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    1. ich glaube es kommt darauf an, wie kostbar diese Stille ist, oder wer sie hinterlässt bzw. für wie lange.
      Durch die hohle Wand direkt nach oben ist es eigentlich keine Kunst, den gierigen Zähler rattern zu hören :-)

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  2. man könnte meinen, wir sind mit demselben Mann verheiratet ;-)

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  3. Ach, wie gerne würde ich mal wieder die absolute Stille hören! Seit 1992 habe ich im rechten Ohr einen Tinnitus, seit letztem Jahr auch im linken Ohr. Es rauscht und pfeift wie früher der Fernseher nach Sendeschluss. Aber ich habe mich mit dem ollen Pfeifer arrangiert. Es gibt schlimmeres im Leben.

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    1. wohl war - aber eben auch schöneres...
      hoffentlich ist es wenigstens ein anerkennendes Pfeifen :)

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  4. kein Wunder, dass er immer so müde ist - nun wird mir manches klar!

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  5. Auch ich kenne das mit den Stimmen ... und ich hab auch erst auf Aliens getippt ... Alf ist da so ein Wunschgast ... eigentlich der Einzige, den ich rein lassen würde ... aber es waren nur die Nachbarn ... *menno* ...

    So ein Lüftungsschacht kann aber "schön" sein. Wenn man nämlich das morgendliche Gezwitscher so laut hört, als ob man direkt im Wohnzimmer eine Voliere hat ... Frühling hautnah sozusagen ... ;-))

    Und das Buch? Eine Geistergeschichte? Geschafft?

    LG Schnute

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    1. hallo Schnute, ja das wär dann quasi twitter in natura, aber wer weiß heutzutage schon noch, wie sich Vogelgezwitscher anhört!?
      "Ein Bild von dir" (Jojo Moyes), ich werde berichten, wenn ichs durch habe :-)

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  6. Hallo Tweety
    Ja diese "Stille" die kenne ich auch nicht mehr
    habe eine künstliche Herzklappe, die so laut ist,
    dass sie alles übertönt, ganz schlimm ist es in gefliesten
    Räumen, im Aufzug, oder wenn ich mich ganz auf ein anderes
    Geräusch konzentrieren möchte. Das funktioniert nicht. Selbst in
    der Straßenbahn, wurde ich schon angesprochen, was da wohl
    bei mir nicht in Ordnung sei, ich sage ich habe keine Bombe, sondern
    nur eine Klappe, manchmal ist meine andere Klappe auch recht groß und man hört nichts anderes ;-))
    Doch es gibt Schlimmeres.
    Ich wünsche dir ein wunderschönes, hoffentlich sonniges We.
    Lg Sadie

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    1. man sollte wohl froh sein, in einer Zeit zu leben, die mit dieser medizinischen Möglichkeit gesegnet ist - aber ich kann mir denken, dass man auf das permanente Erklären und Rechtfertigen gerne verzichten würde

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